Das Motorrad-Jahr 2011
Die Motorradsaison ist zu Ende.
Eine kurze Retrospektive
Ein silbernes Wetter. Das ist das Erste was mir einfällt, wenn ich an das vergangene Motorrad-Jahr denke. Das trockenste und sonnigste Frühjahr seit über 100 Jahren hat den Motorradstart in die Saison 2011 versüßt. Leider folgte darauf ein eher nasser Sommer. Man könnte es auch positiv betrachten: Wer das Fahren im Regen üben wollte, hatte reichlich Gelegenheit dazu. Petrus wollte sich aber mit den Motorradfahrern versöhnen und bescherte uns einen goldenen Oktober. Unglaublich viel Sonne für den Saison-Ausklang.
Und was war noch in diesem Jahr?
Ein BMW-Sechszylinder-Motor in Reihe mit 1649 ccm, adaptives Kurvenlicht optional bestellbar, Traktionskontrolle. War das ein neues Auto? In Zeiten von Motor-Downsizing könnte man das allemal denken. Nein, dieses ab März 2011 verfügbare Bike der Superlative war tatsächlich ein neues Motorrad: die BMW K 1600 GT/GTL. Zwar sind Sechszylinder nichts Neues für ein Motorrad. 1974 präsentierte die italienische Kultmarke Benelli die „Benelli 750 Sei“, das erste in Serie produzierte Motorrad mit einem Sechszylinder-Reihenmotor, welches aus unterschiedlichen Gründen keine nennenswerte Verbreitung genoss. Vergangenheit. Die Biker-Gemeinde hat sich hingegen auf das bayrische Dickschiff sehr gefreut. Es war zeitweise nur mit einiger Vorbestellungszeit zu bekommen. Gegenwart.
Erfreulich war die Tatsache, dass die Zahl der in Deutschland neu zugelassenen Motorräder mit ABS zugenommen hat.
Auch das Erfolgsmodell von Triumph, die Speed Triple (ab Modell 2011 mit einem neuen Chassis und überarbeitetem Motor auf dem Markt), wurde zum ersten Mal optional mit ABS angeboten. Bei KTM hat man ganz auf Sicherheit gesetzt und klare Kante gezeigt: Die KTM 990 Supermoto T – die beliebte „Langstrecken-Supermoto“ – ist ab diesem Jahr nur noch mit dem Lebensretter zu kaufen. Und ich sage dazu: endlich.
PS-Vernichter ade
Darauf habe ich mich richtig gefreut: die neuen Kennzeichen für Motorräder. Mit bis zu 28 cm Breite als „Kuchenbleche“ zu Recht verspottet, waren die alten Kennzeichen eine optische Zumutung. Neidisch haben die deutschen Motorradfahrer ins Ausland geschaut, wo in der Regel andere Sitten herrschten. Fast überall waren kleinere Kennzeichen für das geliebte Bike zu bekommen als bei uns zu Lande. Aber seit April ist es so weit: Die alten „PS-Vernichter“ sind ein Auslaufmodell. Gut so.
Im Motorsport ist Deutschland endlich wieder oben auf: Stefan Bradl wurde zum neuen Moto2-Weltmeister gekrönt und wechselt 2012 in die Königsklasse. Er ist der erste deutsche Motorrad-Weltmeister seit 18 Jahren geworden. Glückliche, erfolgreiche Bilder des Motorradjahres 2011 – mit einem sehr traurigen Schatten für den Motorsport. Mein Landsmann, der lebensfrohe Marco Simoncelli starb am 23. Oktober – vor laufender Kamera. Der Weltmeister von 2008 wurde Opfer eines grauenvollen Unfalls auf der Rennstrecke von Sepang in Malaysia. Erschütternde, herzzerreißende Bilder des Motorradjahres 2011. Riposa In Pace, Marco.
Motorradfahren bleibt gefährlich
Aber nicht nur auf der Rennstrecke ist das Motorradfahren gefährlich. Auch die Unfallzahlen von diesem Jahr erzählen Trauriges: Die Zahl der auf deutschen Straßen getöteten Motorradfahrer ist erneut gestiegen: +32%! (Januar-Mai 2011 gegenüber Vorjahreszeitraum). Die nüchterne Betrachtung der Tatsache, dass statistisch das gute Wetter ironischerweise für diesen bitteren Zuwachs verantwortlich sein könnte, tröstet mich nicht. Viel-mehr bin ich bestürzt und gleichzeitig bekräftigt in meiner Überzeugung, dass für die Sicherheit der Motorradfahrer noch Einiges passieren muss.
Auf vielen Ebenen kann sicher etwas getan werden. Die Straßen sollten verbessert werden hinsichtlich der besonderen Gefahren für Motorradfahrer. Wie wäre es mit einem Verbot von Bitumen-Flickerei in Kurven, Herr Ramsauer? Die technische Entwicklung muss voran schreiten und das Motorradfahren sicherer machen. Und: Jeder sollte an sich selbst arbeiten. Für mehr Sicherheit ist es zweifellos wichtig und notwendig, fahrerisch zu üben. Aber genau so wichtig ist es, die eigene soziale Interaktion mit anderen Verkehrsteilnehmern mit dem Ziel zu optimieren, dass täglich auf der Straße ein Mit- und kein Gegeneinander entsteht.
Sind hier vielleicht einige „gute Vorsätze“ für die kommende Saison?
Ein Jahr der Superlative
Das Fahrsicherheitszentrum Hansa/Lüneburg hat eine tolle Saison hinter sich.
Die Zahl der Teilnehmer bei Motorrad-Trainings kletterte gegenüber dem Vorjahr um fast sagenhafte 10%. „Das habe ich nicht erwartet! Aufgrund des durchwachsenen Sommerwetters, rechnete ich mit einem deutlich bescheideneren Erlebnis.“ Sagt Geschäftsführer Bernd Beer.
Und noch: Der Motorrad-Startup-Day und Bye Bye Bike – die beliebten Events zum Start und Ende der Motorrad-Saison 2011 im Fahrsicherheitszentrum Hansa/ Lüneburg – stellten mit jeweils fast 11000 und 3500 gezählten Besuchern neue Rekorde auf. Wir bedanken uns herzlich bei allen Bikern für das fantastische Jahr.
Ein Jahr, das bald zu Ende ist. Aber dann kommt ein neues Jahr und mit ihm schnell die nächste Motorrad-Saison.
Ich freue mich schon darauf.
Copyright © Alberto Salvagnini, 2011